Mönchgut auf Rügen Urlaubsmagazin 2021
21 J ennifer Karl: Thomas, es heißt immer: „Zum Fischer muss man geboren sein!“ Stimmt das? Thomas Koldevitz: Ja. Du musst schon einen richtigen Willen haben, um Fischer zu sein. Das frühe Aufstehen und die oft kalten Wetterbedingungen, das hält nicht jeder durch. Es ist auch nicht so einfach heut- zutage. Ich habe zwei Söhne: Mein älterer Sohn Florian arbeitet bei mir mit im Betrieb. Mein jüngerer Sohn Manuel sollte auch mit einsteigen, aber er konnte sich das nicht vorstellen. Es möchte auch keiner mehr den Beruf Fischwirt lernen, weil er keine Zukunft hat. Die meisten wollen drin im Warmen und auch nicht so körperlich belastend arbeiten. Daher findet man kaum noch junge Leute, die das durchhalten. Außerdem werden die Fangquoten jetzt noch weiter runtergesetzt und so kommt eins zum anderen. Koldevitz und Sohn, ihr seid also ein Familienbetrieb. Seit wann gibt es ihn? Ich habe von 1986 bis 1988 Vollmatrose der Hochseefischerei in Sassnitz gelernt. Seit 1991 bin ich selbstständig. Ich habe außerdem noch den Meister gemacht, damit ich meinen Sohn ausbilden kann. Seid ihr nur zu zweit? Wir fahren immer zu dritt raus: mein Sohn, ein Angestellter und ich. Wie sieht ein normaler Tagesablauf für euch aus? Ihr steht bestimmt sehr früh auf, oder? Unsere Haupttätigkeit ist im Sommer. Da gibt es Flunder, Aal und Steinbutt. Morgens um zwei Uhr stehen wir auf, sodass wir um drei Uhr aus dem Hafen Gager laufen. Dann fahren wir, je nach Wetterlage, an- derthalb Stunden raus und sind morgens um halb fünf am Fangplatz. Dort holen wir unsere Netze rein und setzen neue Netze aus. Damit wir nachmittags nicht nochmal losmüssen, haben wir zum Austausch im- mer genug Netze auf dem Kutter. Wenn wir alles ausgewechselt haben und nach Hause fahren, essen wir auf dem Rückweg erst- mal Frühstück. Da gibt es dann alles, was wir uns morgens vorbereitet haben: Kaffee, Stullen, Kocheier oder noch ein bisschen Gebratenes, was die Mutter oder Freundin am Vorabend gekocht hat. Wenn wir fertig sind mit Essen, beginnen wir damit, den Fisch aus den Netzen zu machen und zu schlachten. Wir sind immer gegen elf Uhr wieder an Land und verkaufen dann den küchenfertigen Fisch am Hafen. Wie geht es nach dem Fischverkauf weiter? Legt ihr euch erst einmal aufs Ohr? Wir müssen den Fisch noch an die zwölf Gaststätten, die wir beliefern, ausfahren, die Netze vernünftig sortieren und alles wieder für den nächsten Tag vorbereiten. Jeder weiß, was er zu tun hat. Das ist bei uns alles eingespielt. Gegen sechzehn oder siebzehn Uhr ist dann Feierabend, aber das kann man vorher nie genau sagen. Wie kann man sich den Fischfang auf See vorstellen? Was macht ihr da genau? Wir haben Stellnetze, das heißt wir setzen die Netze am Meeresgrund aus. Das ist die passive Fischerei. Aktive Fischerei wäre, wenn wir Schleppnetze benutzen würden. Passive Fischerei heißt: Du stellst Netze wie eine Wand auf den Meeresgrund, und was reinschwimmt, schwimmt rein. Bei uns sind das ungefähr 3.000 Meter lange Stellnetze. Die Netze bleiben 48 Stunden lang stehen. Nach nur einer Nacht lohnt es sich nicht, weil zu wenige Fische drin wären. Mit den Jahren weiß man als Fischer, wie das am besten funktioniert. Es gibt also immer fangfrischen Fisch vom Kutter. Wann kann man den kaufen? Das ist saisonabhängig. Von Mitte Juni bis 10. Oktober gibt es täglich frischen Fisch an Toms Hütte am Hafen. Im Frühjahr und Herbst verkaufen wir nicht jeden Tag. Wir haben an der Hütte ein Schild, auf dem im- mer die nächste Anlandung mit Datum und Uhrzeit steht. Das aktualisieren wir täglich. WhatsApp und so was alles habe ich nicht. Aber man kann mich auf meinem Handy an- rufen. Einige Leute kommen auch einen Tag vorher und bringen einen Eimer mit einem Zettel, auf dem steht, was sie brauchen. Was magst du besonders an deinem Beruf, was ist das Besondere daran? Wir sehen jeden Morgen die Sonne aufge- hen. Und man hat nie den gleichen Tag, das gleiche Wetter und die gleiche Umgebung. Das ist immer anders. Man hat die ver- schiedensten Wettersituationen. Du kannst also nie vorausschauend arbeiten oder denken. Du musst es einfach immer so nehmen wie es kommt. I C H H A B E K E I N E A N G S T V O R M W A S S E R U N D V O R D E M , W A S P A S S I E R E N K Ö N N T E . I C H H A B E R E S P E K T V O R M W A S S E R . “ Frischer geht’s nicht: Fisch direkt vom Kutter! hafengager # 20 Rügen
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