Mönchgut auf Rügen Urlaubsmagazin 2021
33 J ennifer Karl: Tom, sich mit 21 Jahren in einem Kreativberuf selbstständig zu machen, ist ja sportlich. Wie kam es dazu? Tom Wilke: Ich hatte den Traum, mich selbstständig zu machen. Im März 1990 bekam ich meinen Gewerbeschein und habe in der Kreativwerkstatt ge- kündigt. Dort hattest du deine Ausbil- dung gemacht. Richtig. Ich wollte immer Töpfer werden, aber das war zu DDR- Zeiten schwierig. Alternativ habe ich mich für eine Ausbil- dung als Tischler beworben, aber auch das hat nicht ge- klappt. Zeitgleich wurde in Binz eine Keramikwerkstatt aufge- baut. Ich habe mich dort vorge- stellt und bekam ganz spontan einen Ausbildungsplatz für Ke- ramiktechnik. Das war pures Glück. Auch, dass der Direktor meiner Ausbildungsschule Töp- fermeister war. So konnte ich nebenbei töpfern lernen und später zusätzlich die Prüfung zum Scheibentöpfer absolvieren. Wie bist du dann von Binz hierher gekommen? In der Binzer Keramik habe ich bis zur Wende gearbeitet. Im März 1990 bekam ich dann meinen Gewerbeschein und kündigte. Ich habe einfach los- gelegt und mich den ersten Sommer durchgeschlagen. Danach habe ich mir hier den kleinen Laden eingerichtet. Als die Binzer Keramik zumachte, konnte ich deren gesamte Ware abkaufen und sie hier bei mir verkaufen. Seitdem verkaufe ich eigene Werke und Handelsware. Vom Keramiker und Töpfer über die Holz- und Glaskunst zum Porzellan – wie kam das alles? Ich hatte immer Lust, etwas Neues auszuprobieren. Holz war für mich ein Reiz, weil ich die Maschinen dafür hatte. Ich fing an, Holztische anzufertigen und Figuren zu schnitzen. Nach der Holzphase habe ich Kacheln mit Landschaften und Fischen für Häuser, Küchen und Bäder bemalt. Als nächstes kam das Glas. Mit Glas wollte ich schon immer mal etwas ausprobieren. Irgendwann kam noch Metall dazu. Ich habe mir Schweißge- räte besorgt, bin zum Schrott- platz gefahren und fing an, da- mit herumzuprobieren. Am Ende habe ich alles miteinander ver- bunden, Glas, Holz, Metall und Fliesen. So ergab immer eins das Nächste, weil ich immer wieder neue Kombinationen kreieren konnte. Und nun ist auch Porzellan hinzugekommen. Mit Porzellan hatte ich eigent- lich nie etwas zu tun. Aber ich arbeite mit einer Porzellan- manufaktur zusammen, deren Ware ich im Laden mitverkaufe. Für sie hatte ich ein paar Muster gemalt und hatte am Ende so viele Muster, dass ich die ein- fach zum Verkauf in den Laden gestellt habe. Bei den Kunden kamen sie sehr gut an. Sie wollten sogar ganze Service kaufen, die hatte ich allerdings gar nicht. Also habe ich wel- che angefertigt. Seit 3 Jahren ist, neben den Fliesen und der Glaskunst, mein Schwerpunkt nun die Porzellanmalerei. Fertigst du dafür dein eigenes Porzellan an? Aktuell kaufe ich noch Rohpor- zellan ein und bemale es. Aber mein neues Projekt wird sein, das Porzellan selber zu drehen und eine eigene Serie anzufertigen. Wo fertigst du all deine Werke an, hier vor Ort? Ich brenne und male hier bei mir in der Werkstatt. Metall- und Schweißarbeiten mache ich auf unserem Hof. Also, ja, alles geschieht hier vor Ort. Was ist für dich das Schönste an deiner Arbeit? Das Schönste ist die Arbeit an sich, also die Anfertigung und der Prozess dabei. Der Moment, in dem man merkt, jetzt wird es was, das habe ich auf den Punkt getroffen, und das, was ich rü- berbringen wollte, hat die Leute erreicht. Das ist das Schönste. Kaum zu glauben, aber was heute „Mönchgut Keramik“ ist, war früher ein Kuh- stall. Schon zu DDR-Zeiten hatte Tom Wilke hier einen Raum gemietet und sich eine Werkstatt eingerichtet, mit Ofen und allem, was dazu gehört. Mit 21 Jahren kündigte er in seinem einstigen Lehrbetrieb und machte sich hier selbstständig. I N T E R V I E W M I T T O M W I L K E D A S S C H Ö N S T E I S T D I E A R B E I T A N S I C H ! Wie kommst du auf die Ideen für deine Kunstwerke? Manchmal kommen mir die Ideen ganz spontan in einer Situation. Ich schreibe alle Ideen, die mir einfallen, auf einen Zettel und lege sie in ein Buch. So vergesse ich sie nicht und kann sie irgendwann einmal umsetzen. Manchmal nehme ich eine Idee und fange einfach mal an. Im Lauf der Zeit wird aus der Idee immer mehr. Wenn ich nicht weiterkomme, lasse ich es stehen. Denn irgendwann fällt mir wieder etwas dazu ein. Besonders wichtig ist es, auf keinen Fall sofort perfekt sein zu wollen. Das Unperfekte so zu lassen und sich zu sagen: O. k., dazu stehe ich. Das Perfekte erreichen zu wollen, kann einen total blockieren, und am Ende kommt nichts dabei heraus. Man darf auch keine Angst haben, sich zu blamieren. Nur so ist man frei, Kunst zu schaffen. „ Keramik Kunst Einst Kuhstall, heute kunterbuntes Kunst-Eldorado! 32 Rügen Ganz wichtig ist, dass einem die Leichtigkeit nicht flöten geht. Was kommt, das kommt, und was nicht, das nicht.
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