Weiße Fassade, schwarz gerahmte Fenster, eine gläserne Kuppel, die man irgendwo schon mal gesehen hat. Reichstag? „Dat muss det Rathaus von Binz sein“, vermutet ein Urlauber. Der erste Eindruck: Das Haus passt hier nicht hin. Der zweite: Schön, dass es da ist.
Das Cerês spaltet die Gemüter. Bäderarchitektur ist dieses Haus nun wirklich nicht, sagen die einen: Eine Fassade ohne Ehrgeiz, also ohne gedrechselte Balkone, Türmchen und Pilaster. Wunderbar, sagen die anderen, noch so ein Schnörkelerker hätte uns gerade gefehlt.
Und das mitten in Binz, am wirklich besten Platz – knapp vor der Seebrücke, linkerhand der Kurplatz, die Promenade führt direkt am Haus entlang. Eingerahmt von den ehrwürdigen Villen, die dort schon seit über einem Jahrhundert die Badekultur hoch halten. Das Cerês ist gerade zehn Jahre alt, es ist der junge Wilde unter den Opas.
Dieses Haus will anders sein. Das sagt jeder Stein, jedes Fenster. Das sagen die Farben, weiß, schwarz, grau in allen Tönen. Das sagen die Materialien, die rauchdunkle Eiche des Parketts, das geölte Holz der Wände, der Chinesische Sandstein auf den Fluren. Und das Licht, auch Licht ist ja Material: Es kommt aus den verstecktesten Ecken, lässt ein profanes Waschbecken wie von innen leuchten. Es kommt durch die bodentiefen Fenster in den Gästezimmern, dann ist es das Licht des Meeres, des Himmels. Kein Photo, kein Gemälde im Zimmer, wozu auch: Der Strand liegt dem Betrachter zu Füßen, die Wellen sind so nah, als brächen sie beim nächsten Sturm durchs Glas.
Er hat keine Probleme damit, als „Radikaler“ bezeichnet zu werden, sagt Moritz Lau-Engehausen. Jedenfalls so lange es seine architektonischen Auffassungen betrifft. „Radikal heißt doch, zur Wurzel zu gehen. Und genau das tue ich: Ich gehe zurück zum Wesentlichen“, sagt Lau-Engehausen. Wesentlich sind also die Einfachheit, das Klare, das Unaufgeregte. Und der Tiefgang, darum das Schwarz. „Schwarz führt in die Tiefe. Es lässt einen zur Ruhe kommen. Und es ist mystisch“, sagt Lau-Engehausen, der sich vom Zen inspiriert fühlt.
Ein halbes Leben war Lau-Engehausen Architekt. Er hat das Cerês entworfen, gebaut, er hat auch den Namen bestimmt – Ceres heißt der dunkle Zwergplanet irgendwo da draußen, anders als die tausend anderen, die mit ihm um die Sonne kreisen. Darum der extravagante Meerwasserpool im Spa, darum der Porsche in der Tiefgarage, nicht der eigene, für die Gäste natürlich. Und darum die 14-Meter-Yacht, 800 PS, 45 Knoten schnell, ein schwarzer Pfeil samt Bett, Pantry und Dusche. Ohne irgendwelchen Schnickschnack, nicht mal störende Haltegriffe oder Klampen behelligen den dunklen, lackglänzenden Purismus an Bord. „Das Boot ist mein 51. Hotelzimmer“, sagt Moritz Lau-Engehausen. „Das schnellste Hotelzimmer der Welt.“
Das Cerês ist der bewohnte Ausnahmeplanet im Hoteluniversum. Nicht nur des Rügener Universums: Längst hat der Besitzer alle mögliche Preise und Prämien für sein Haus eingeheimst, darunter der „International Restaurant & Bar Design Award“, das ist der Oscar der Zunft. „Die Leute sollen ankommen und die Zeit vergessen. Sie sollen einen Tag wie ein Wochenende genießen. Und wenn sie wieder abreisen sollen sie sagen: Das Leben ist schön.“
Das Wesentliche, eben.
www.ceres-hotel.de
Text: Maik Brandenburg
Bild: Harald Schmitt
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